Der Otter-Trail ist ein Wanderweg entlang der Garden Route und gilt als einer der schönsten weltweit. Man ist insgesamt 5 Tage und 4 Nächte fernab der Zivilisation im Tsitsikamma-Nationalpark. Insgesamt 44 Kilometer - das klingt zunächst nicht nach besonders viel, jedoch sind enorme Höhenunterschiede zu bewältigen (bis zu 1000m).
Aber nicht nur das macht den Weg zu einem wirklichen Abenteuer. In den 5 Tagen muss man 5 Flüsse durchqueren (ja DURCHqueren und nicht überqueren), an und auf steilen Felsklippen entlangwandern und in der heißen afrikanische Sonne Felsschluchten passieren. Das alles mit viel Gepäck auf dem Rücken, denn es gibt zwar Übernachtungshütten, jedoch stehen diese mitten in der Wildnis - Restaurants oder Supermärkte gibt es nicht. Man muss daher seine Verpflegung für die Tage selbst tragen.
Der Gewinn ist jedoch unbezahlbar: Wilde unberührte Natur entlang des gesamten Weges, denn es dürfen nur maximal 12 Wanderer pro Tag starten. Die Wanderung führt einen durch tropische Regenwälder voller bunter Vögel und Affen und entlang einer traumhaften Küste, an der man Wale und Delphine beobachten kann und das Meeresrauschen zum treuen Begleiter wird.
Vorbereitung
Zur Begehung des Weges benötigt man eine Permit. Diese muss man weit im Voraus buchen, da nur 12 pro Tag ausgestellt werden. Ich hatte Glück: obwohl ich mich erst wenige Wochen vorher dazu entschloss das Abenteuer zu wagen, konnte ich mir den letzten freien Platz innerhalb von Monaten sichern. Ich denke, es kommt nicht so oft vor, dass eine Buchung nur für eine Einzelperson erfolgt.
Wenn man einen Fernwanderweg von Punkt A zu Punkt B läuft, stellt sich zunächst die Frage nach der Logistik. Punkt A ist beim Otter-Trail das Storm River Camp im Tsitsikamma-Nationalpark, Punkt B ist Nature's Valley im Westen. Ich habe mich dazu entschieden, mit dem Mietwagen bis zu Punkt B zu fahren und dort in der schönen Tranquility Lodge zu übernachten. Das Auto konnte ich dort mit meinem Koffer gesichert parken und ich musste mir hier keine weiteren Gedanken darum machen.
Mit dem Trekking-Rucksack fuhr mich eine Hotelangestellte vom Endpunkt (Nature's Valley) bis zum Startpunkt. Im Storm River Camp wird man nach Zahlung der Parkgebühren und einer Aufnahme der Personendaten, in einen Raum geführt. Als Einweisung wird ein Film über den Otter-Trail abgespielt. Informationen über den Otter-Trail im Vorfeld sind spärlich und so sah ich zum ersten mal auf welches Abenteuer ich mich hier eigentlich wirklich eingelassen habe - und das mutterseelenallein!
Mein Wanderrucksack wog 16Kg - definitiv viel zu schwer, aber das konnte ich nun nicht mehr ändern..
Mit schlotternden Knien "ging" ich los und auf den ersten Metern pochte mein Herz wie wild. "Dies ist kein Vergnügungspark, sondern ich stapfe hier wirklich gerade allein durch den südafrikanischen Dschungel". Bald gelangte ich ans Meer und musste über steile Felsen steigen und das mit 16kg auf dem Rücken.
An einem Wasserfall traf ich dann sogar meine Camp-Mitglieder. Beziehungsweise die die noch übrig waren, denn 2 hatten sich direkt am ersten Tag so stark verletzt, dass sie den Trail abbrechen mussten.
Die letzten Kilometer ging es entlang schöner Felsenlandschaften bis zu den Übernachtungshütten. Eine warme Dusche gab es nicht, also kam ich auf eine andere Idee..
Die "natural pools" waren zwar schweinekalt, aber auch sehr erfrischend.
Bei einem zauberhaften Sonnenuntergang lies ich den Abend ausklingen.
Am nächsten Tag ging es zunächst auf urigen Pfaden mitten durch den südafrikanischen Urwald. Durch die Trailzeichen wird einem auf eine sehr erleichternde Art und Weise gesagt: Du bist noch auf dem richtigen Weg! Zwischendurch gab es auch kleine Zeichen der Zivilisation wie Holzbrücken, aber die meiste Zeit war man mitten in nahezu unberührter Natur. Ich lauschte den lauteren Tieren des Waldes (Vögel) und auch den leiseren (Tausendfüßler), aber die meiste Zeit wohl meinem eigenen Atem, denn der Rucksack wurde durch den Verzehr der Trekking-Nahrung, nur geringfügig leichter und der Weg war anstrengend.
Die erste Flussüberquerung stand bevor. Mit einem Teil der Gruppe passierten wir das braune Wasser auf teils glitschigen Steinen. Hineinfallen wollte man nicht, besonders nicht mit samt seinem Rucksack.
Doch die erste Überquerung lief gut und nur meine Füße wurden nass. Dass dies bei den nächsten anders werden sollte, konnte ich hier noch nicht ahnen...
Danach ging es am Meer entlang. Ich fühlte mich trotz Strapazen erholt und frei wie ein Vogel.
Am frühen Abend erreichte ich einen Stand wie aus einer Filmkulisse. Ganz allein konnte ich diesen Traumstrand genießen und auch das Meer, das hier auf dem Trail so wild und ungezähmt wirkte.
Der Himmel zog sich zu und ich beeilte mich, um noch vor der Dunkelheit in der heutigen Übernachtungshütte anzukommen. Hierfür musste ich einige Höhenmeter zurücklegen und den Traumstrand sah ich nun von oben..allerdings im Regen. Dafür konnte ich bei Ankunft im Camp Delfinen zusehen. Durchgefroren vom Regen aber noch beseelt vom heutigen Tag schlüpfte ich in meinen Schlafsack.
Der nächste Tag startete wie der Tag zuvor endete: Mit Regen aber dafür mit Delfinen in der Ferne. Ich konnte mich von dem Anblick kaum losreißen, aber ich musste los, denn heute stand eine aufregende Flussdurchquerung bevor, bei der man auf den Gezeitenplan achten musste.
Ich nahm einen kleinen Pfad abseits vom Otter-Trail und war überwältigt: Die Delfine, die ich heute Morgen noch aus der Ferne bewundert habe, waren hier nun ganz nah. Diesen Tiere in der freien Natur so nah zu sein, war eine meiner schönsten Tiererlebnisse. Meine Gefühle in dem Moment lassen sich schwer beschreiben und auch die Filmaufnahmen werden der Situation nicht gerecht. Aber manche Momente bleiben einfach unbeschreiblich schön.
Es stürmte und regnete, doch heute lernte ich: Das kann wahnsinnig befreiend sein! Das Meer tobte und der Wind peitschte und ich? Ich fühlte mich einfach frei!
Ich kam an wunderschönen Landschaften vorbei, aber irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden..
Nach dieser witzigen Begegnung, wurde es nun wieder ernst, denn die erste richtige Flussdurchquerung stand bevor. Von Regen und Sturm war ich eigentlich bereits komplett durchnässt, sodass es keinen großen Unterschied mehr gemacht hätte, in den Fluss hinein zu fallen. Meine Campmitglieder schoben ihren Rucksack vor sich her. Ich versuchte eine andere Taktik und versuchte meinen Rucksack hoffentlich einigermaßen trocken auf dem Rücken durch den Fluss zu bringen.
Es gelang einigermaßen und war bei dem Regen und Sturm auf jeden Fall ein einmaliges Erlebnis.
Auf der anderen Flussseite erwartete mich jedoch ein trauriges Erlebnis. Ich hatte die ganze Zeit gehofft einen Wal zu sehen. Jetzt sah ich einen.. allerdings war er leider nicht mehr am Leben. Als ich immer höher stieg, konnte ich noch einmal den durchquerten Fluss sehen, aber auch immer wieder den einstigen Riesen der Meere.
Doch lange Zeit traurig zu sein hatte ich nicht, denn heute sollte noch eine weitere Flussdurchquerung anstehen. Und ja, das Wetter war noch immer herausfordernd.
Als ich die Hütten sah, dachte ich ich seh' nicht richtig. Das konnte nicht richtig sein! Wie soll ich hier hinüber kommen ohne zu ertrinken?!
Ein Stück weiter flussaufwärts kam eine bessere Stelle. Es war wahnsinnig kalt und ich bin natürlich auch ins Wasser gefallen, aber immerhin schaffte ich es auf die andere Seite.
Dieser Fluss sollte eine gute Übung sein für die Durchquerung die morgen folgen sollte. Aber was da auf mich zukam, wusste ich in diesem Moment Gott sei Dank noch nicht und so konnte ich mich aus den nassen Klamotten schälen und noch den Abend genießen, denn wie heißt es doch so schön: Wenn du einen Regenbogen sehen willst, musst du den Regen aushalten.
Am nächsten Morgen strahlte die Sonne und ich konnte meine nassen Sachen trocknen. So verbrachte ich noch einige Zeit im Camp. Mit Hilfe eines Filters und/oder Chlortabletten war das Wasser hier trinkbar. Die 2 Hütten waren traumhaft gelegen und nach der Kälte gestern und in der Nacht, genoss ich nun noch einige Sonnenstrahlen.
Doch zu lange durfte ich mir nicht Zeit lassen, denn der Weg war heute in mehrfacher Hinsicht etwas schwieriger als sonst. Heute stand die gefährlichste Flussdurchquerung bevor. Außerdem wurde mir heute eine gewisse Kletterkunst abverlangt. Vorbei an Wasserfällen ging es auf steinigen Pfaden auf und ab.
Zudem verlief ich mich heute das erste Mal.
Und dann war es soweit. Bei der letzten Durchquerung war der Gezeitenplan von entscheidender Bedeutung. Zur optimalen Zeit war es heute allerdings nicht möglich zu passieren, denn 7 Uhr morgens konnte man den Fluss noch nicht erreicht haben und 7 Uhr abends wäre zu spät gewesen, denn dann müssten wir im dunkeln zu den Hütten gehen - viel zu gefährlich bei den steinigen Wegen. Man muss sich also entscheiden: Exit (ein größerer Umweg aber sicher) oder Abenteuer... Die Hälfte der Gruppe nahm auf jeden Fall schonmal den sicheren Weg.
Ich entschied mich für das Abenteuer, FÜR die Flussdurchquerung. Aber ganz ehrlich? Ich war froh dass das Wasser braun war, denn ich hatte richtig richtig schiss. Aber tatsächlich schaffte ich es lebend auf die andere Seite mit wenigen Blessuren. Und einen Schuh habe ich verloren, aber besser den Schuh als mein Leben ;-)
In einer Stunde sollte es dunkel werden, doch das Abenteuer war noch nicht vorüber. Nun musste man richtig klettern und sich mit Seilen einen Abhang hochziehen. Gemeinsam kraxelten wir den Felsen hinauf und gingen in der Abenddämmerung die restlichen 3 Kilomater zu den Hütten. Doch wir kamen in die Dunkelheit. Wir erreichten dank Stirnlampen alle unversehrt das Camp und ich war froh, dass ich dieses Mal keine Tierbegegnungen bei Nacht hatte.
Am nächsten Morgen schien die Sonne und es war ein besonderer Morgen: Es war der letzte Morgen. Ich verbrachte ihn im Camp und machte mir noch einmal die Schönheit der Einfachheit bewusst. Die Dusche war kalt aber auch erfrischend und mit einer Traumkulisse. Die gleiche Kulisse hat übrigens noch ein anderes Örtchen.
Die ersten Meter waren ziemlich anstrengend, denn es ging hoch hinaus. Doch es lohnte sich: Es war, als ob sich der Otter-Trail mit seinen Camps, die sich perfekt in die Landschaft einfügen, noch einmal von mir verabschieden wollte.
Ich ging die letzten Kilometer und erreichte Nature's Valley - den Endpunkt des Otter Trails.
Ich könnte jetzt behaupten, dass mich nur die Sonne blendete, aber um ehrlich zu sein, vergoss ich schon wieder ein Tränchen. Es war eine Träne der Freude und Dankbarkeit. Vor 5 Tagen schulterte ich meinen Rucksack und stürzte mich allein und unvorbereitet ins Abenteuer. Ich erlebte die Strapazen des Weges, wie es ist im Einklang mit der Natur zu leben. Dadurch erkannte ich ihre ungefilterte Wildheit und vielleicht die wahre Schönheit.
Immer wieder musste ich meine Komfortzone verlassen und neuen Mut finden meine Angst zu überwinden. Ich hatte witzige Begegnungen aber auch traurige. Regen und Sturm musste ich trotzen und lernte es zu lieben. Belohnt wurde ich mit unberührter Natur, unvergesslichen Momenten und dem völligen Gefühl von Freiheit.
Meine Mitcamper waren bereits unten am menschenleeren Strand angekommen und eine halbe Stunde später war auch ich unten und der Strand gehörte mir ganz allein. Es gab kein offizielles Zeichen vom Ende des Trails wie beim Jakobsweg die Kathedrale von Santiago de Compostela oder beim West Highland Way. Hier gab es nur das Meer, das mich den ganzen Otter Trail über begleitet hatte. Und den menschenleeren Strand, an dem meine Fußspuren im Sand zu sehen waren. Diese Spuren sollten mit der nächsten großen Welle weggewischt werden, doch die Spuren des Trails, sollten mir noch sehr lange erhalten bleiben.
Nur einen Otter habe ich auf dem Otter-Trail nicht gesehen - aber beim nächsten Mal ganz bestimmt. Denn ein Wiedersehen, wird es definitiv geben!